Teil 4: Wörgl - Wien

Das Finale eines langen Berichts über eine lange Fahrt.

Der Mittwoch begann ja im Zug. Das öde Inntal (flach, flach, dann eben dahin, bevor’s wieder flach wird) brachte ich also relativ gemütlich hinter mich, aber die Weisheit meiner Entscheidung, einer nach Osten abziehenden Regenfront im Eiltempo nachzufahren, darf bezweifelt werden. So war es doch relativ feucht, als ich in Wörgl aufs Rad stieg und nach Leogang via Kitzbühel und St. Johann abdampfte. Die Strecke ist übrigens nicht empfehlenswert, weil viel Verkehr. Wenn, sagen wir, einer von zwanzig Autofahrern so ungeduldig ist und sich überdies berechtigt fühlt, trotz Gegenverkehr mit 0 cm Seitenabstand zu überholen, ist das normal und man hat sich dran gewöhnt. Wenn das dann alle paar Minuten passiert, das macht einen schon etwas fuchtig. Ich fühlte mich daher durchaus berechtigt, schon nach einer Stunde in einem Café den ersten Mehlspeis-Stopp einzulegen und quasi als Nerventonikum zwei Stück lecker Roulade zu inhalieren.

Zumindest dachte ich das da noch. In Wahrheit verbrachte ich die ganze restliche Tour damit, ans Essen zu denken. Kaum hatte ich einen Kuchen in einem Stück runtergewürgt, bevor die Kellnerin den Teller auf dem Tisch abstellen konnte, bekam ich enormen Guster auf Wurstsemmel. Dann riss ich vor dem Supermarkt oder der Fleischerei das Papiersackerl ungeduldig in Fetzen, wenn ich es aus Gier nicht gleich mitgegessen habe. Am Abend erreichte das gewöhnliche Vor-Dinner in einer Konditorei epische Proportionen und wurde dann durch ein dreigängiges Hauptmahl ergänzt, bevor ich mich zu den vorher gekauften Süssigkeiten ins Zimmer zurückzog. Ich begann sogar, die Strecke mit Essen zu beschreiben. Die langen Täler mit viel Verkehr, dachte ich, sind wie schäbige alte Wurstbrote. Wird immer mehr im Mund, man kriegt sie kaum runter. Wenigstens sind sie manchmal mit Butter bestrichen, wenn man eine Nebenstrasse findet durch die Dörfer durch. Am besten, man isst sie vorher, wenn man noch hungrig ist, aber aufpassen, dass man sich nicht den Appetit verdirbt auf den Hauptgang mit Schnitzel- und Schweinsbratenpässen! Die kurzen, knackigen steilen Anstiege, das Dessert des Radfahrens. Man glaubt, man kriegt eh nix mehr runter, aber die sind so süss und lecker, dass da immer noch was geht. Und die Voralpenhügel, eine Antipasti-Platte vielleicht, oder Tapas, lauter kleine feine Leckereien, aber man kriegt auch schnell zu viel, bevor man es merkt.

Der Dientner Sattel gleich zu Beginn des nächsten Tag war so ein Hirschragout, als nächsten Gang gab’s allerdings öltriefende, verbrannte Wurschtfleckerln (ohne Ketchup!) in Form des absolut unlustigen Pass Gschütt. Als ich in Hallstatt ankam, war ich müde und frustriert. Meine Tischnachbarn im erwählten Futterplatz fragten mich neugierig, von wo ich denn wohin unterwegs wäre, und reagierten mit einem verwunderten “Wie kommt man denn auf so eine Idee?” auf meine Enthüllung. “Des frog i mi a”, sagte ich grantig, und setzte mich wieder aufs Radl. Ich bereute es sofort wieder, denn das Mousse au Chocolat (Koppenpass mit 21 % Steigung) und der Besoffene Kapuziner von Bad Aussee nach Bad Mitterndorf machte alle Frustrationen wieder wett. Als ich dort dann am Balkon saß, den milden Abend genoss, rauchend, satt und zufrieden, wollte ich auf einmal nie mehr aufhören, nie mehr stehenbleiben. Komplett egal, wie unvergnüglich mancher Abschnitt ist, oder wie schlimm das Formtief zwischendurch ist, jeder Tag hat mindestens einen oder zwei Abschnitte, wo man wieder weiss, warum. Man darf das halt nicht aus den Augen verlieren, wenn es mühsam wird, regnet, man in den Strassengraben gehupt wird - der nächste Teil wird wieder die pure Freude.

Was soll man noch erzählen? Ich fuhr noch knapp 300 km in 2 weiteren Tagen, von denen das Gesäuse und die Nebenstrasse über Pfaffenschlag die Highlights waren. Ich frass noch unzählige Kalorien in mich rein und strampelte sie wieder raus. Ich verbrachte einen feinen Regenruhetag in Scheibbs bei V. & Familie. Ich radelte nach Wien weiter und wurde von S. in einer Triumpffahrt am Donaukanal entlang nach Hause geleitet. Ich putzte das Rad und hängte es wieder an die Decke. Ich sass da und war traurig, dass es schon vorbei ist. Ich überlegte, von wo nach wo ich als nächstes fahren könnte.

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