Der Plan

Codename: Alpenspazierfahrt. Hinter diesem sperrigen und uninspirierten Namen verbirgt sich der wahnwitzige Plan, von Nizza nach Wien zu radeln. Wie kann man als braver Bürohengst seinen hart verdienten Urlaub besser verbringen als mit zu Boden hängender Zunge die Passstrassen des Alpenbogens mit seinem Schweiss zu überfluten? Eben. Vom Regenguss in den Schneesturm, vom Gegenwind in die sengende Sonne, Tag für Tag, ein Berg nach dem anderen. Und am Abend? Mit dem letzten Glukosemolekül in den Muskeln herumirren und hoffentlich ein Quartier finden - aber Heuhaufen sind ja auch bequem.

Es gibt durchaus auch ein paar Gründe, die dafür sprechen: Das Tempo am Rad ist gerade richtig, um Land und Leute zu betrachten. Keine Scheibe trennt mich von Dörfern, Tälern, Almen und Passhöhen. Gerüche, Geräusche (und auch die Stille), alles kriegt man unmittelbar mit und irgendwie intensiver. Der Berg macht viel mehr Spass, wenn man ihn mit Muskelkraft bezwingt. Und wenn’s dann auf der anderen Seite bergab geht? Frage nicht!

Alles ist natürlich sorgfältig geplant und ausgeklügelt - das GPS-Gerät ist betankt mit detaillierten Routeninformationen: Strassen, Höhenprofile, Distanzen, Dörfer, alles drauf. Die Taschen hinten am Rad befüllt nach einer mit jahrelanger Erfahrung ausgetüftelten Packliste. Die Schenkel geschwollen vom harten Training während des ganzen Frühjahrs. Ha! In meinen Träumen. Die Realität sieht etwas anders aus, aber wir werden sehen, was das wird.

Wenn’s so geht, wie ich will, dann werde ich am Freitag quasi direkt vom Flugzeug weg einmal gemütlich an der Küste entlangzuckeln und mich noch ein paar Kilometer ins Landesinnere verzupfen. Dann gleich der Gipfel der Tour: Der Col de la Bonnette auf über 2800 m Seehöhe. Langsam geht’s dann weiter, über Col de Vars und Izoard nach Briancon, über den Iseran, den Kleinen und Grossen St. Bernhard in die Schweiz, bevor ich noch den Furkapass in Angriff nehme und nach Zürich hinunterfahre. Dort wird 2 Tage gerastet, damit ich das kleine (räusper) Österreich einmal der Länge nach durchfahren kann: Arlberg, Kühtai, Gerlos und dann wird’s höhenmetertechnisch endlich öd, wenn ich durch’s Salzkammergut, Gesäuse und Niederösterreich nach gut 2 Wochen endlich wieder heimkomme.

Aber Etappenplanungen sind ja eher fromme Wunschträume denn Realität. Ein schönes Gewitter, ein eleganter Abgang über den Lenker in den Strassengraben, einmal zuwenig (oder zuviel) gegessen - wer weiss, ob’s an dem Tag 100 oder 150 km werden? Und gegen alle technische Gebrechen kann man sich auch nicht feien. Ein Patschen ist schnell wieder heil gemacht, eine gerissene Kette notdürftig auch, aber es kann noch genug kaputt werden. Und natürlich frage ich mich auch, ob sich meine vielen und intensiven Trainingseinheiten (heuer nach einer neuen Methode: Zigaretten und G’spritzte bis spät in die Nacht hinein statt ödem Grundlagentraining) wirklich ausgezahlt haben - normalerweise sollt’s kein Problem sein, ich hab ja nix übermenschliches vor, aber wer weiss. Es bleibt also spannend, trotz aller Vorbereitungen.

>> Teil 1: Nizza - Lanslebourg