Wintersport Joggen

Jeden Herbst dasselbe: Es wird kalt und feucht und ungemütlich am Rad. Was tun aus sportlicher Sicht?

Wenn das Laub von den Bäumen gepurzelt ist, die Temperaturen fallen und der Nebel aus dem Kanal kriecht, dann fragen sich viele Radfahrer: Was jetzt? Das kann’s ja net sein, rumsitzen, vorm Kamin Schläuche flicken und die ganze schöne antrainierte Kondition auf dem Altar der diversen Festgelage opfern, die einem so bevorstehen. Ich für meinen Teil war ja damit immer ganz zufrieden. Das Rennrad wird an die Decke gehängt und ich verwachse für ein paar Monate organisch mit der Couch. Das bescheidene Bäuchlein, dass sich dann angesammelt hat, schmilzt im März dahin und ist im April verschwunden - unglaublich, wie schnell es geht, vom hart erschnauften 22er-Schnitt im Grundlagentrainining auf 27, 30 - wenn sonst schon die Erfolgserlebnisse dünn gesät sind, das gönn ich mir. Weil ab dem Level wird’s eh schwierig, erfordert harte Arbeit und Hingabe an den Sport, bäh.

Soll ja Leute geben, die nicht so gerne jedes Jahr von Null anfangen wollen. Für die bieten sich natürlich ein paar Alternativen. Zum Beispiel die Rolle: dort eingespannt wird das wackere Rennross ganzjährlich malträtiert. Man strampelt also im Zimmer, starrt dabei an die Wand und Schweiß strömt in Bächen, weil Fahrtwindkühlung fehlt, und bald abonniert man die dickste Tageszeitung wo gibt, zum Unterlegen natürlich. Ein paar andere harte Knochen, ganz wenige, fahren einfach durch. Mag ich ja auch nicht so - in der Stadt ist’s ja ok, aber draußen wird’s furchtbar schnell finster, und der Radweg scheint sich hervorragend zum Ablagern von überschüssigem Laub und Rollsplitt zu eignen. Schade auch ums schöne Rennrad, wegen Salz und Dreck, aber andererseits eine gute Ausrede, um den Fuhrpark zu erweitern: Die Wintertrainingsgurke muss her (aber da sollte man ja auch nicht am falschen Ort sparen!). Und im Wald schießen die Jäger scharf, wenn man nicht dem Holzarbeiter in die Axtflugbahn kommt, oder bis zum Lenker im Schlamm steckenbleibt.

Die dritte Möglichkeit: Laufen. Das geht ja eigentlich bei jedem Wetter. Zeitsparend ist es auch, weil alle behaupten, eine Stunde gerannt ist wie zwei Stunden Rad gefahren. Platzsparend obendrein, weil man nix weiterbringt. Perfekt, dachte ich schon vor 2 Jahren, jetzt mach ich ernst und Wintertraining und nächstes Jahr überholt mich sicher kein Mountainbiker mehr. Weil ich ich bin und das schönste am Sport das Kaufen der Ausrüstung ist, bin ich natürlich ins Fachgeschäft zur Laufberatung, wo mir Senkspreitzknickplattfüsse mit seltener kombinierter X-O-Beinverkrümmung diagnostiziert wurden, aber alles kein Problem, weil dieser Spezialschuh hier… Sehr schön, noch das Spezialgewand dazu, ein Kilo Bargeld auf die Budel, heimgetragen, ein, zweimal ausprobiert und im Kasten vermodern lassen. Aber, so scheint’s, heuer hab ich keine andere Wahl.

Das Kreuz quält mich nämlich furchtbar, und auch sonst mag alles nicht so, wie man gerne täte. Da kann man dann entweder in der Stube hocken und Trübsal blasen, oder Omas Ratschlag befolgen: Bewegung an der frischen Luft hat noch niemand geschadet! Also grub ich die noch blitzblankweißäen Schuhe aus, scheuchte die Motten aus der Hose und kratzte den Moder vom Trikot. Schlüpfte rein und startete los zum nahen Augarten.

Es war furchtbar. Ich habe drei Runden geschafft, das sind glaube ich etwas mehr als 500 Meter insgesamt. Gebraucht habe ich 45 Minuten. Mein Stil lässt sich anhand der Newcastle-Laufskala eher als missmutig-schlurfend klassifizieren denn als gazellengleich-beschwingt. Während ich dahinwatschelte, haben rechts junge Frauen den Kinderwagen an mir vorbeigeschoben, links alte Frauen mit Schlauch in der Nase den Sauerstofftank. Das lässt zwar wunderbar über den Kreislauf des Lebens sinnieren, aber aus sportlicher Sicht bestehen durchaus Steigerungsmöglichkeiten. Aber immerhin habe ich eins geschafft: Mir tun die Haxen jetzt so weh, dass ich den Rücken nimmer spüre.

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