Goldsprints & Global Gutz

Endlich wieder einmal zwei Events, bei denen man die Hose im Socken stecken lassen kann.

Ich weiß, ich habe diesen Schmäh schon öfters verwendet, aber mein ultimatives Ziel ist es, ihn durch endlose Wiederholung in die Köpfe der Menschen einzuhämmern, bis es eine anerkannte Redewendung ist. Gemütlicher Typ, der X, bei dem kann man die Hose im Socken stecken lassen. Künftige Generationen können dann im Sprachschatzlexikon nachschlagen und staunen: Ursprung in der urbanen Radfahrerszene Anfang 21. Jhdt., als sich junge, schöne Menschen bevorzugt mit alten, umgebauten Rennrädern fortbewegten und zum Schutz ihrer Beinbekleidung vor Verschmutzung durch die Kette die Hose in den Socken steckten. Dies wiederum war damals noch als Zeichen geistiger Zurückgebliebenheit stigmatisiert (siehe Weichbirne, Fetzenschädl, Kofferkind). Vielleicht aber, so hofft Ihr Autor, rennen künftige Generationen sowieso schon mit der Hose im Socken herum, oder es gibt Hosen mit integriertem Socken (Hip, Stylish, Urban! Und wer “Strampelhose” dachte, ist lahm!). Aber jetzt komme ich schon vom Thema ab, bevor ich überhaupt angefangen habe.

Jedenfalls servierten die nimmermüden Motoren der kleinen, aber feinen Singlespeed/Fixie/Radkurier-Szene Wiens innert zweier Wochen gleich zwei gelungene, lustige und spannende Wettbewerbe in eine Party integriert, oder ist es umgekehrt, oder ist es wurscht und eh dasselbe.

Hanky Panky Goldsprint Series nannte sich die erste Kampfparty - deren Finale fand zu Fronleichnam statt. Wer jetzt denkt: Bitte WAS war da? Dem sei verziehen, ich hab’s auch noch nie gehört. Schnell die allwissende Müllhalde zurate gezogen: Goldsprints sind die urbane Kultversion der Trainingsrollen-Rennen, das heißt: Man spannt zwei Radln in ein Gestell und dann fährt man gegeneinander 500 m weit. Erfunden wurde das ganze in Zürich, vom Chef des Turbinenbräu, wohl in der Hoffnung, dass zwischen den einzelnen Runden ein paar Liter des dort produzierten Goldsprint-Biers durch durstige Kehlen gespült werden. Wer jetzt denkt: Na oida, so ein Käse, dem sei nicht verziehen, weil das macht ziemlichen Spaß: Man sitzt gemütlich beisammen, besauft sich, ab und zu steigen 2 aufs Rad, dann muss man anfeuern und jubeln, das K.O.-System der Finalrunde ist sauspannend, und Entscheidungen fallen im Abstand von Zehntelsekunden. Mein persönlicher Favorit stieg immer mit der Selbstgedrehten im Mund in den Sattel und legte dann ein Tempo vor, das für den 4. Platz reichte. Das Siegerduell war ein Kampf der Giganten der Trittfrequenz (errechneterweise haben die 220 Umdrehungen/Minute gekurbelt!) und der Lokalmatador (Radkurier) rang den Emporkömmling, der aus dem Nichts auftauchte (angeblich Ex-Profi!), knapp aber verdient nieder (um 3 in der Früh). Und ich? Wurde Vorletzter.

Und dann, in ebensolcher Kürze abgehakt, weil selbst Beschreibungen in Form eines Heldenepos im jambischen Vierheber dem nicht gerecht werden können, GlobalGutz, Vienna Edition. Ah ja, da höre ich es schon wieder aus den hinteren Reihen, das Bitte WAS war da. OK: Radkuriere sind eine internationale verschworene Gemeinschaft. Nein, echt. Ich glaube, sowas gibt’s in kaum einer Berufsgruppe, weil vielleicht gibt’s Schweißer-Weltmeisterschaften, aber man findet dort wahrscheinlich keine Mittelschicht-Bürohengste/stuten, die mit der Blauen aus der Boutique rumlaufen, sich stylische Schweißermasken-Replikate aufsetzen und ehrfurchtsvoll Youtube-Helmkamera-Aufnahmen von besonders schnell hingelegten Raupen anschauen. Außerdem lässt sich der Messenger schön zum “Fakenger” verballhornen, beim Welder fällt mir da ad hoc nix ein. Egal, wie auch immer.

Um dieses globale Radkurier-Feeling zu feiern, wird an einem Tag in allen Städten, wo’s Kuriere gibt, ein Rennen gestartet, synchron, gleich lang, gleiche Bedingungen und gleiche Chancen - die Gewinner des globalen Wettbewerbs kriegen ein Ticket nach Tokio zur Kurier-Weltmeisterschaft. Naja gut, nicht ganz zeitgleich, weil sonst müssen die armen Australier um 5 in der Früh fahren oder so, also gab’s zwei Starttermine: 13 oder 22 Uhr MEST, wobei in Wien letzterer gewählt wurde. Organisiert, wie immer, von engagierten Laien, war auch das ziemlich lustig. 21 km lang soll die Strecke sein, und 5 Checkpoints. Das heisst, keiner der Teilnehmer soll wissen, wo’s hingeht, sondern nur den 1. Checkpoint kriegen und dort dann das nächste Ziel. Gewinner ist dann aber doch eher traditionell der, der als erster die Linie überquert.

Besetzt war die Wiener Edition mit der Creme der Radkuriere und erfreulich vielen Mädels, sogar. Die Fakengers waren auf die ihnen gebührende Rolle als bewundernde Anbeter relegiert, was aber eh nichts ausmachte, weil bei dem Tempo hätte ich eh nicht einmal den Faden eines Laiberls gehabt. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Spaß, das Bier und aufs Fotograbüdeln, was auch lustig war. In der Prater Hauptallee beim Ziel war dann auch viel los, schöne Radeln aller Art, lustige Leute und Musik. Die Ersten sprinteten mit ca. 45 Minuten Fahrzeit ins Ziel - es waren dann doch mehr als 21 km, was die Chancen im internationalen Vergleich leider zunichte machte. Aber beeindruckend der Einsatz - Stephen Roche ‘87 in La Plagne hat direkt munter ausgesehen, so sehr haben sich die Burschen und Mädels teilweise (M.: Merke!) vorausgabt. Zum Feiern nachher hat’s aber bei allen gereicht.

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