Doping II

Ich muss es ja zugeben, schön langsam reicht es mir auch.

Schwere Zeiten sind angebrochen für den Radsportfan. Was soll man sagen? Beim heroischen Soloritt zum Sieg können sie mittlerweile gleich (mutmaßlicher Doper) dazuschreiben bei der Einblendung der Ergebnisliste. Kommentatoren können spekulieren, ob der Bursche Dynepo, Epogen oder CERA genommen hat, oder doch gutes altmodisches Blutdoping? Liveberichte aus dem Labor müssen her und die Eröffnung der Kuverts mit den Testergebnissen sollte zelebriert werden wie die Oskarverleihung (“And the positive is…”). Bei der DVD zur Tour sieht man im CSI-Stil Weißkittel Proben zentrifugieren und Kieberer Mülltonnen durchstöbern, bevor zur SWAT-Einheit geblendet wird, die einen Fahrer aus dem Team-Bus extrahieren. Alpe d’Huez ist in den Extras zu finden. Weiters gehört endlich ein eigenes Ranking eingeführt für das beste Dopinggeständnis. Tränen, die Entschuldigung bei der Familie (der man vorher den Sieg gewidmet hat) und “Ich bin auch nur ein Mensch” sind Pflicht und es gibt Haltungsnoten, zur Kür zählen Ausreden wie “Mein ungeborener Zwilling war’s”.

Ich bin natürlich etwas frustriert. Als selbsternannter Radsportexperte durfte ich diesen Juli zum ersten Mal in meinem Leben erklären, was ein Belgischer Kreisel ist, ohne sofort von demonstrativ Schnarchgeräusche simulierenden Witzbolden abgeschossen zu werden. Die kurze Zeit dieser Euphorie ist vorbei, ab ab jetzt gibt’s nur mehr ein Thema. Irgendwie nervt’s.

Es war so schön früher. Koks, Schnaps, Amphetamine, Steroide, am besten alles auf einmal, ab und zu ist halt einer umgefallen, aber hätt er was g’scheits g’lernt. Das Publikum hatte seine Helden, ein paar Tests hier und da haben die allerschlimmsten Ausuferungen verhindert. Wenn einer doch zu blöd war, dann hat er alles abgestritten und bekam für 2 Jahre einen Job beim Radsportverband. Alle haben davon profitiert, alle waren zufrieden. Und dann kommen die Spielverderber und hauen das fein abgestimmte System einfach zusammen.

Wer glaubt, man kann da in diese Senkgrube reinstechen, ohne dass es rausstinkt, der irrt gewaltig. Die Wahrscheinlichkeit, einen Radler beim Dopen zu erwischen ist bedeutend höher als ein Lottogewinn, da braucht sich keiner gratulieren. Und rein spieltheoretisch betrachtet haben die auch keine andere Wahl, als ihr Training etwas zu ergänzen. Die Pulverl und Spritzerln wirken saugut, man rechnet damit, dass es die anderen auch alle tun, und das Risiko war immer eher gering. Beim zB CERA behauptete die Volksweisheit, dass es nicht nachweisbar ist - dummerweise gab’s aber einen Test fast gleichzeitig mit der Markteinführung, und schon klatscht man ein paar auf. Dann wurde noch schnell ein Bluttest mit weniger falschen Negativen nachgeschoben, und dann heisst’s für noch mehr wieder Rauchfänge kehren. Meiner Meinung nach ist das aber nach wie vor eher die Ausnahme von der Regel.

Wird’s besser werden? Wollen wir überhaupt einen dopingfreien Radsport? Man wird sehen. Die vielgepriesene neue Generation von jungen Radsportlern, denen der Sumpf so fremd ist, wie sie so gern vom hohen Moralpferd runtergeschrieen haben, hat sich jedenfalls auch entpuppt als Nur-Menschen, die in Extremsituationen schwach werden. Diese Scheinheiligkeit nervt fast noch mehr als die Arroganz der alten Liga, die Doping als Naturrecht angesehen hat, da hat sich gefälligst keiner einzumischen. Bis dahin bleibt so armen Würschteln wie mir nur übrig, das Paket als ganzes zu kaufen und das Drogentestergebnis mit ebensolcher Spannung zu erwarten wie die Zielgerade.

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