Zangeln

Beim Auto hab ich ja eher so die Einstellung: Oh weh, das Geräusch ist neu. Besser zum Experten gehen. Der schüttelt dann den Kopf, macht Tsk tsk tsk und murmelt etwas vom Radiatorgürtelriemen, der von der hinteren Differentialachse gesprungen ist und hält mir schon mal den Abschöpfungsauftrag für mein Konto zur Unterschrift hin. Bei meinen Rädern hatte ich jahrelang einen ähnlichen Zugang, und so wie es auf den Radwegen quietscht, knarzt und klappert, ist das beim Zweirad um einiges weiter verbreitet als beim gehätschelten und verwöhnten Autobrumm.

Meine persönliche Strasse nach Damaskus führte durch die Pyrenäen, und meine Lust am Zangeln hatte 30 radlnarrische Belgier als Geburtshelfer. Nach jeder Tagesetappe stürzten sie sich mit allerlei Werkzeug, Wischlappen, Ölen und Salben bewaffnet auf ihre Räder, und es hub großes Putzen und Nachjustieren an. Ich betrachtete dieses Treiben zuerst angewidert, dann verwundert, dann interessiert, und bald kniete ich ehrfürchtig vor meinem Mountainbike und fummelte und rubbelte andachtsvoll. Das war natürlich die ideale Situation, weil ich hatte da einen Haufen Experten zur Verfügung, die ich quälen und nerven konnte. Za wos is des, was passiert, wenn ich an der Schraube drehe, und wie kriege ich dieses seltsame Rattern weg, wenn ich auf den Gang schalte? Mehr oder weniger geduldig wurde ich instruiert und bald zangelte ich mit den Besten. Naja. Ok, es reicht, um den nächsten fälligen Werkstattbesuch etwas aufzuschieben.

Natürlich muss ich als braver Konvertit jetzt mit fanatischem Eifer die frohe Kunde weiterverbreiten - Leute, kümmert euch um eure Räder! Es tut mir im Herzen weh, wenn ich um Hilfe quietschende Rostlauben vorbeifahren sehe. Aufgeblasene Reifen, eine gut laufende Schaltung, eine geölte Kette, justierte Bremsen mit frischen Belägen, nachgezogene Schrauben - man spart nicht nur Muskelschmalz und wertvollen Schweiß beim Fahren, sondern verhindert unter Umständen auch eine unangenehme Bekanntschaft mit einem Baum oder einer Autokühlerhaube. Und es ist gar nicht schwer - man schaue mich an, wenn ich ein Loch in der Wand brauche, dann flehe ich Freunde um Hilfe an, weil meine Bohrmaschinenexperimente allzu oft damit endeten, dass das Haus zusammenbricht und der Strom im ganzen Bezirk ausfällt.

Also hier kurz die Hekkerschen Kriterien zur minimalen Selbsthilfe und Vermeidung von schlimmeren Defekten: Reifen aufblasen. Bitte unbedingt ausprobieren - man glaubt, man sitzt auf einem neuen Rad. Schlauch tauschen sollte man schon können. Kette ölen, also vorher abwischen oder bürsten (Am besten mit der Schuhputzbürste des Lebensabschnittspartners, ihr Gesichtsausdruck, wenn sie das nächste Mal ihre braunen Wildlederschuhe damit reinigt, ist unbezahlbar!), dann etwas - nicht zu viel - Öl drauf, ein wenig an der Kurbel drehen und den Überschuss nachher abwischen. Nach der ersten oder zweiten Ausfahrt nochmal abwischen. Ansonsten empfiehlt es sich, Befestigungsschrauben von Kotflügeln, Lichtern oder, auch nicht unwichtig, Lenker ab und zu nachzuziehen, bevor sie sich mitsamt dem angeschraubten Ding verabschieden, was speziell beim Lenker unter Umständen eine kosmetische Operation notwendig macht, damit man wieder von seinen Liebsten erkannt wird.

Schaltung einstellen, Bremsen justieren, Kette, Bremsbacken und andere Verschleißteile (Nein, eine Kette ist nicht für die Ewigkeit!) tauschen, das ist schon etwas fortgeschrittener, aber alles, man glaube mir, kein Problem. Beim ersten Mal dauert’s eine Stunde, beim zweiten Mal eine halbe, und irgendwann hat man den Frühstückskaffee in der einen Hand, während man mit der anderen lässig zangelt. Das schindet zwar Eindruck bei Frauen, aber nicht zu viel angeben, weil sonst stehen die Nachbarn Schlange mit ihren Rädern und man kommt zu gar nix mehr.

Man stelle sich auf keinen Fall Sinnfragen, wie Warum soll ich die Speichen abwischen? Der nächste Regen kommt bestimmt. Falsche Einstellung! Putzen ist nämlich der erste Schritt zu einer intimen Bekanntschaft mit dem Rad, und damit eine gute Gelegenheit, lockere Speichen, Risse im Reifen, wacklige Pedale und andere potentiell unangenehme Dinge herauszufinden, die das Rad sonst verschämt zu verheimlichen versucht. Vor allem bei der Federgabel oder Scheibenbremse sieht man dann endlich jene verräterischen Ölflecken. Außerdem wird man beim nachfolgenden Warten nicht ganz so dreckig. Wenn die Hände schon beim Aufschrauben des Ventils dunkelschwarz geworden sind, macht das Aufpumpen echt keinen Spaß.

Und ja nicht herumnölen, dass ein schmutziges und halbhiniges Rad weniger gestohlen wird. Ich meine, den Lebensabschnittspartner hüllt man auch nicht in Sack und Asche, um ihn/sie für potentielle Nebenbuhler unattraktiv zu machen!

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