Süchtig II

Es ist gut, sich die ganze Misere einmal von der Seele reden zu können: Dann hat man ein Mountainbike mit Stollenreifen und 27 Gängen und kommt an einem schönen Sommertag drauf, eigentlich schade, sowas gehört in den Wald. Einen Freund angestiftet zum Mitfahren. 3 Stunden später war es vorbei mit mir. Verloren. Rettungslos. Die Eiserne-Hand-Strasse soweit rauf, wie wir es geschafft haben, dann schieben. Das war ja noch nicht sooo lustig, aber dann kam ein kleines, schmales Waldwegerl, damals Teil des offiziellen MTB-Wegenetzes, und da ging’s los: Rauf, runter, über Steine, über Wurzeln, die Geschwindigkeit, das Adrenalin, Wahnsinn. Und dann wieder hinunter in die Stadt, und das war’s dann endgültig. Durch den Wald bergab sausen, volle Konzentration auf die Strecke, unbeschreiblich. Nochmal. Am liebsten gleich. Die Strecken wurden länger, neue Abfahrten wollten erforscht werden. Ich schaffte die Eiserne Hand ohne Absteigen, ohne Pause, ein Hochgefühl der ganz anderen Art. Dann wurden die erklommenen Berge höher. Jede Zusammenrottung von Höhenlinien auf der Landkarte wird zu einer Herausforderung. Ich kann jedem nur davon abraten, das jemals zu probieren. Weil das war erst der Anfang, die traurige Geschichte geht noch weiter - aber vorerst zur Prävention ein paar Tipps:

Man nehme die folgende Entwicklung als Warnzeichen für die beginnende Abwärtsspirale: Das verschwitzte T-Shirt klebt nach dem Aufstieg ekelhaft am Körper und beim Runterfahren wird’s kalt. Man lege sich ein Trikot zu. Die Bermudashort reibt nach ein, zwei Stunden ganz ungut. Man lege sich eine knallenge Radhose mit Sitzpolster zu. Kotflügel, Klingel und Rückstrahler klappern bedenklich, sind aber für die Stadt ganz praktisch. Man lege sich ein Zweitrad zu.

Ein besonders bedenkliches Zeichen ist der Kauf einer Standpumpe mit Manometer, die den echten Radler auszeichnet. Das wird natürlich auch an die nächste Generation weitergegeben: Man sieht dem begeisterten Neuling mit Potential dabei zu, wie er sich auf fast flachen Reifen abmüht. Dann nimmt man ihn auf die Seite und sagt: Komm mal mit. Zückt die teure Standpumpe, steckt die guten Ventiladapter an, hebt und senkt sie scheinbar mühelos ein paar Mal und sagt: So, jetzt probier’ mal. Im Gesicht des Neulings geht die Sonne auf, wenn er dann dahinschwebt. Peng. Schon wieder einer kassiert. Schon wieder einer mehr, der den Gelegenheitsradler am mangelnden Luftdruck erkennt und sich verächtlich abwendet, bevor er noch dessen Kette quietschen hört.

Ich rede gar nicht vom Werkzeug, das man sich zulegt, weil man es nicht mehr aushält, das Rad für ein paar Tage zum Händler in Reparatur zu geben. Auch nicht vom Abo diverser Zeitschriften, bei denen man Hochglanzfotos der neuesten Shimano-Schaltung ausklappen kann. Nein, das wichtigste und dramatischste Warnzeichen ist:

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