Saisonvorschau

Was macht man, wenn’s Wetter schlecht ist? Klar, zangeln und Pläne schmieden.

Und zwar nicht die langfristigen Pläne, die sind eh fix und entsprechen denen des durchschnittlichen Standardradlers: Nette Frau mit 30er-Schnitt finden und heiraten (Willst du sie im Windschatten mitziehen und mit Trinkflaschen versorgen, in der aeroben wie in der anaeroben Zone, bis dass die Windkante euch scheidet?), viele kleine Kinder (man muss das genau abstimmen, wenn die Finger des einen zu groß werden um das Schaltwerk zu putzen, muss das nächste schon geschickt genug sein), sukzessive bessere, teurere und edlere Renner, mit denen ich immer kürzere Strecken fahre, bevor ich mit 102 (km/h, so alt werd ich nicht) bei der Abfahrt vom Stelvio mein Leben aushauche. Aus meiner Asche wird ein Carbonrahmen gepresst, und ich werde auf dem himmlischen Orbea Orca meine Runden auf paradiesischen Radwegen mit ewigem Rückenwind ziehen. Hoffentlich habe ich nicht zu oft mit Windschatten gegeizt oder bin mit behaarten Beinen gefahren, denn dann komme ich in die Hölle, wo einem ständig Rollerblader in Regimentsstärke nebeneinander entgegenkommen und das Rad ständig knarzt, knackt, quiekt und ächzt, ohne dass man das Geräusch lokalisieren kann.

Nein, es geht ums Mittelfristige: Neben einer kleinen Alpentour durch Österreich, Italien und die Schweiz habe ich mit meinem neuen Komplizen ja noch was ausgeheckt: Wir wollen im Oktober bei L’Eroica mitfahren. Ich steh ja normalerweise nicht so auf Radrennen, weil ich eh weiß, dass ich da kein Laiberl habe, aber dieses spezielle, das hat was charmantes. Zuerst einmal findet es in der Toskana statt, und da ist jede Ausrede recht, um dort hinzufahren. Highlight sind die vielen kleinen hügeligen Schottersträßchen, die sogenannten Strade Bianchi, das ist italienisch für Flache Reifen. Aber das wirklich spezielle sind die Teilnahmebedingungen: Rad muss vor ‘87 gebaut sein, Schaltung muss am Unterrohr sein, und wer mit Klickpedalen auftaucht, wird angespuckt und ausgebuht. Bei den Labestationen gibt’s statt Banane und Powerbar Korbflaschen mit Wein, Berge von Rohschinken und andere lecker aussehende Fressalien. Das ist doch etwas nach meinem Geschmack - das Sportliche perfekt mit dem Abstrusen im Hedonismus vereinigt!

Und natürlich eine ausgezeichnete Ausrede, sich noch ein Rad anzuschaffen. Nix Fixie, Singlespeed und so, sondern beinhart so richtig auf Restaurieren. Das ist ja ganz ein eigenes Glas Bier, weil wenn man in der Szene so auf naiv ein paar moderne Bremsen auf einen Stahlrahmen schraubt, dann Gute Nacht. Teern, Federn, aus der Stadt jagen, wenn sie gnädig gestimmt sind. Aber in gewisser Weise ist ja das gerade der Spaß dran. Weil nicht einfach: Hm, Bremsen kaputt, bestell’ ma neue, nein: Man kann Stunde um Stunde damit verbringen, per Schleppnetz zeitgenössische, passende Teile aus Online-Auktionshäusern zu fischen. Dann kommt das große Putzen, Polieren, Schmieren und Ölen. Und die Komponenten sind ganz anders als das neumoderne Zeugs, das man ja schon kennt, also hat man auch zangeltechnisch eine neue Herausforderung.

Wir sind da eher zufällig auf eine ganz spezielle Sorte Räder gestoßen: So von 1980 bis 1984, als für unsereins der Dreiralla noch die Spitze des Geschwindigkeitsgefühls darstellte, gab’s ein kurzes Aufflackern der Aero-Welle. Die Rahmenrohre wurden tropfenförmig, weil windschnittig, und Shimano hat die AX-Serie rausgebracht: Ebenfalls voll aero, und noch dazu braucht man lauter eigene Zubehör- und Ersatzteile, weil nix kompatibel und austauschbar. Von den Pedalen bis zu den Bremsgummis passt nix andres drauf außer AX (von Shimano). Das spricht meine Liebe für technisch Verspieltes, aber total dem Untergang geweihtes natürlich voll an. Weil: So aerodynamisch der Rahmen auch sein mag, setzt man den leider gar net windschnittigen Radler drauf, ist’s ziemlich blunzn. Also waren die Dinger außer schwerer, teurer und mühsam in der Wartung eigentlich gar nix. Perfekt! So fühle ich mich auch die meiste Zeit. Also her mit einem Motobecane Profil 3 für mich, und einem angeblich gleichnamigen Gitane aus der Sammlung Embacher für B.: Die Equipe Aerodynamique ward geboren!

Und seither wird getüftelt: Wie kriegt man eigentlich Schlauchreifen auf eine Felge? Wie stellt man diese seltsamen Bremsen ein? Wie kriegt man den Lurch zwischen den Ritzeln am besten raus? Woher kriegen wir die passenden Shimano AX-Trinkflaschen? Welche Lenkerband/Sattel/Reifenfarben-Kombination passt am besten? Wo gibt’s passende Wolltrikots? Aus welchen 80er-Restposten klauben wir uns die Schuhe? Lederhaarnetze? Warum tue ich mir das an?

Der Wein und der Schinken, das war ja leicht!

Riskantes Radln? << || >> Schau, Mama, ohne Gänge!