Oberschenkelhalsbruch

Zuallererst. Bevor überhaupt irgendwas. Eins muß nämlich klar sein: Falls jemand fragt: Wie, mit 31? Ich dachte, das haben nur alte Leut? Dann pack ich ein und gehe wortlos. Kein Kommentar, kalte Schulter, suche ich mir ein dunkles Eck und weine dort ein wenig.

Und sowieso muß klar sein, dass ich Radeln noch immer nicht für sonderlich gefährlich halte. Passieren kann immer was, bei meinem Nachbarn hat sich zum Beispiel das Gehen als ungesund erwiesen. Also, bitte. Mit diesen Einschränkungen schreiten wir also zur Erzählung der folgenden Geschichte.

Es ist eine durchschnittlicher Winternacht - nicht zu kalt, um die Null Celsiusse hat’s, unter Tags hat’s getaut und alles ist ein wenig feucht. Der Protagonist, der da gerade oben von der Burggasse runtergerast kommt, ist auch gar nicht betrunken. Sein leicht fanatischer Blick rührt eher vom Geschwindigkeitsrausch her, den er immer bekommt im Wettstreit mit den Taxis bergab. Er kriegt auch die Ampel vor der Bellariastraße, und unten am Ring ist noch grün. Naja, was wird er machen? Langsam hinrollen, weil das geht sich eh net aus?

Natürlich nicht! Und schon fängt das grüne Lamperl keck zu zwinkern an und mit vollem Karacho mit Schräglage in die Kurve, weil auf den Radweg kann man vorm Parlament immer noch. Da, auf einmal, legt sich eine hinterlistige Schiene, die nur auf so eine Gelegenheit gewartet hat, mitten auf die Straße! Was motiviert sie zu so einer Schandtat? Ich kann es nicht erklären. Eine schwere Kindheit, verbracht im Bergwerk, in der ewigen Dunkelheit stöhnend unter den beladenen Hunten? Aber ist das eine Entschuldigung dafür, sich willentlich einzufeuchten und dann bösartig mitten auf der Straße rumzuliegen? Sicher nicht.

Jedenfalls. Ein Vorderrad in Schräglage und eine nasse Schiene, muß man mehr sagen? Muß ich jetzt beschreiben, wie der arme Protagonist auf einmal Plumps macht? Kann ich nicht, weil wie genau es abgelaufen ist, ich weiß es nicht. Auf einmal lag ich auf der Straße und denk mir: Geh bitte, die Hose war fast frisch gewaschen. Steh mit dem Rad wieder auf und humpel so Richtung Gehsteig. Zwei Mädels wollen mich unterstützen, werden weggewedelt und reden mir zumindest ein Päuschen auf der Bank ein. “Ein paar Minuten”, sage ich, “dann geht’s wieder.”. Sie hüpfen in die Bim und ich komme drauf, dass ich den linken Fuss so richtig gar nicht bewegen kann.

Ich rufe die Rettung und erwarte, gleich wieder rausgeworfen zu werden. “Nur eine Prellung”, wird der Arzt sagen, ich nehm ein Taxi heim und dann hinke ich unausgeschlafen auf die Uni morgen. Beim Umsetzen tut’s höllisch weh, meine Rettungsautopremiere kann ich auch nicht so richtig genießen (weiß jetzt aber, wieviele Schlaglöcher auf dem Weg zum Lorenz Böhler-Krankenhaus sind) und dann wurde ich noch zwei Mal umgebettet und jedes Mal jodelte ich ein wenig mehr. Dann gab’s ein Foto, noch eins und schließlich hörte ich aus dem Kammerl ein begeistertes: Jöh, schau! Ah jo, wirklich! Mit einem kaum unterdrückten Grinsen kamen sie dann wieder raus, und dann hörte ich es zum ersten Mal: Sind Sie nicht etwas jung für sowas? Und es nervte schon beim ersten Mal. Für was? Für einen Oberschenkelhalsbruch!

Naja, den Rest der Geschichte bis zum heutigen Tag, den fasse ich besser kurz zusammen: Grauslige Restnacht, dann kriegte ich eine Platte und ein paar Schräubchen in die Hüfte, dann tat’s langsam immer weniger weh und jetzt geh ich schon wieder rauchen, als wär nix gewesen. Naja, fast, weil wenn nix gewesen wär, dann würde ich wohl kaum vorm Krankenhaus rumstehen, sondern daheim im Garten den milden Pseudefrühling genießen. Und könnte mir einen Kaffee mitnehmen, weil ich die Hände nicht voller Krücken hätte.

Die Prognose: 2 Monate nix Radfahren. Super, dachte ich, im April fängt die Saison wieder an, da bin ich fit. Dann dämmerte es mir langsam: Aber die meinen sicher nicht nur das Rennradl und Mountainbike, sondern Stadtradeln auch. Oh weh. Oh seufz. Ich sehe mich jetzt schon kugelrund und nudeldick, kraft- und saftlos und doch zittrig vor lauter unerfülltem Bewegungsdrang rumlaufen.

Zeit für die Moral von der Geschichte, die gezogenen Lehren und die Ergebnisse langer durchwachter Nächte voller Reflektion: Neuer Lenker ist ausgesucht und endlich Zeit für die neuen Bremshebel und das Hinterrad. Gut, dass ich solche Sachen immer vor mir herschiebe, man weiß ja nie, wann man etwas Beschäftigung braucht!

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