Das pflichtgemässe Beinrasur-Posting

Fragen, denen sich jeder Rennradler stellen muss - ein Gesprächsleitfaden und eine Anleitung.

Ruhm, Glanz und Glorie bringen viel Positives mit sich, aber leider hat die Sache meist auch den einen oder anderen Haken. Mittlerweile hat dieses bescheidene Blog einen derart enormen Bekanntheitsgrad erreicht, dass ich mich morgens kaum mit dem Gummiknüppel durch die Groupie-Horden kämpfen kann, die vor meiner Wohnung campieren (Denen taugt das sogar! Abartig!). Aber leider wurde jetzt auch die Österreichische Zwangsvereinigung der Verfasser elektronischer Postillen mit Besonderem Bezug zur Muskelbetriebenen Fortbewegung auf mich aufmerksam, und nach deren Statut muss jedes Blog zum Thema Rennradeln mindestens einmal jährlich die korrekte Beinnichtbehaarung ausführlichst behandeln. Also dann.

So sinnlos ist die Beschäftigung mit diesem Thema ja nicht. Weil kaum kriegt die nicht-eingeweihte Bekanntschaft mit, dass man in der Freizeit gerne rennradstrampelt, kommt schon dieser leicht verschmitzte Gesichtsausdruck, man merkt richtig, wie sie Mut sammeln für die Frage. Seufzend schneidet man das Wort ab und gesteht: Ja, ich rasier mir die Beine. So, liebe gequälte Gemeinde, was hört man dann? Genau. Dieses ewige: Warum?

Tja. Was soll man antworten. Zwegns der Aerodynamik, das war mal eine Aprilscherzantwort, ich meine es war 1904, die leider den Weg ins Volksbewusstsein gefunden hat und als Indiz für die Leichtgläubigkeit des Durchschnittsradfahrers immer gern herangezogen wird. Obwohl, andrerseits, angeblich hat der Jacques Anquetil vor jedem Berg die Trinkflasche aus dem Halter genommen und in die Trikottasche gesteckt - damit das Rad leichter wird. Vielleicht glauben’s also wirklich manche? Fragt man den Profi, kommt unweigerlich die Antwort mit den Verletzungen. Klar, bei mehreren 10000 km pro Jahr ist so ein Asphaltausschlag ab und zu nicht auszuschließen, und ein Pflasterl lässt sich von haarlosen Gegenden weitaus schmerzfreier entfernen. Dann sind dann noch die täglichen Massagen zu nennen, die das Profileben versüßen - auch da hat’s natürlich Vorteile.

Aber was ist mit uns armen Amateuren, den hungrigen Hobbyfahrern? Keiner massiert uns, und selbst wenn man so patschert ist wie ich, ist das Risiko einer Wundkontamination durch ein Haar oder zwei so gering, dass sich die vollständige Entmännlichung (in den Augen mancher) damit nicht rechtfertigen lässt. Ich geb’s rundheraus zu: Gruppendruck und Eitelkeit, weil 1. würde man gern dazugehören, und 2. sieht’s einfach besser aus. Ein Wollbein gehört in den Wald zu den anderen Tieren, die Landstrasse gehört uns, mit den schlanken, glänzenden Füssen, auf denen sich jeder Wadenmuskel deutlich abzeichnet. Und so kommt’s: Weil alle haben es gemacht, und sie haben mich ausgelacht, weil ich nicht wollte, und dann eines Tages hab ich gesagt na gut, und dann war das so… so glatt! so weich! und so angenehm seidig! dass ich nicht mehr aufhören konnte.

Nun gut, hätten wir das Warum nicht gerade befriedigend beantwortet, widmen wir uns dem Wie. Im Prinzip gibt’s da drei Möglichkeiten, über die vierte will ich kein Wort verlieren, nicht mal dran denken, so grausig ist das. Erstens, oft beworben, die Enthaarungscreme. Erfunden bei einem Laborunfall im Ersten Weltkrieg, als aus Versehen Senfgas mit Schwefelwasserstoff und Paraffin vermischt wurde, wird das als die bequemste Möglichkeit beworben, überschüssige Beinbehaarung loszuwerden. Das sieht dann so aus: Bein dick beschichten, 5 Minuten in einer Wolke aus bestialischem Gestank rumstehen und blöd schauen, dann abschaben und hoffen, dass nur das obere Drittel der Haut mitgeht. Und dann mit dem anderen Lauf wiederholen. Dann verzweifelt versuchen, die feste Paste aus Haaren und Creme (ein so leckeres Wort für was so grausliges!) irgendwie aus der Badewanne zu spülen. Immerhin, hält ein paar Tage ganz gut, dann wiederholen.

Als nächstes wollen wir uns dem Rasieren widmen. Ist wohl sicher die populärste Methode: Runterkratzen das Zeug und gut ist. Dauer: Ein paar Minuten. Nachteile: Die kritischen Stellen rund ums Knie und dass praktisch sofort die Stoppeln nachwachsen. Schussel wie ich einer bin vergessen auch gern ein Stellchen oder zwei, was dann auch nicht so ästhetisch wirkt. Weil man sich aber eh fast jeden Tag rasieren muss, gleicht sich das wieder aus, vorausgesetzt man übersieht nicht immer die gleichen Regionen. Fazit: Einfach, aber auf Dauer mühsam.

Aber jetzt möchte ich euch einmal ein Geheimnis verraten. Es gibt da noch die dritte Methode. Erstmalig urkundlich erwähnt wurde sie 1432 in einem Handbuch für angehende Folterknechte und war kurz bei der Inquisition als ultimativ grausamer Willensbrecher populär, bis sich herausstellte, dass die einzige Beschwerde potentieller Hexen nach der Anwendung ein paar rote Flecken waren, die nach ein paar Stunden wieder verschwanden. Vom Vatikan jahrhundertelang unter Verschluss gehalten trat er nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen mit dampfbetriebenen Geräten seinen Siegeszug erst nach der Erfindung der Steckdose an - der Epilierer. Es gibt sie in verschiedenen Rosa- und Lilatönen, sie tragen Wörter mit sanften und schmeichelnden Assoziationen im Namen, irgendwas mit Silk oder so muss auf jeden Fall vorkommen. Packt man das unschuldig aussehende Ding aus und steckt es an, dann ist es allerdings vorbei mit dem harmlosen, weichen Eindruck: Wie ein tollwütiger Rasenmäher röhrt es los und lässt sich kaum bändigen. Man braucht schon ein wenig Überwindung, bis man es wagt, es das erste Mal auf die Haut aufzusetzen. Ich war nach ein paar Stunden so weit. Gleich danach musste ich die wegen der Schreie in Scharen zusammengelaufenen besorgten Nachbarn beruhigen und konnte es, besser vorbereitet, nochmals probieren.

Im Prinzip sind das lauter kleine, rotierende, bösartige Pinzetten, die einem die Haare einzeln auszupfen. Die meisten Männer werden bei diesen Aussichten bleich und müssen sich an der Tischkante festhalten. Aber ich muss wirklich sagen, probiert man es einmal aus, überwindet man den ersten Schock und gewöhnt sich an das Gefühl, das Bein steckt in einem Ameisenhaufen, dann ist es wirklich nicht so schlimm. Zugegeben, ich hab ein Anfängergerät, wo man so einen Massageaufsatz draufstecken kann, und außerdem hat es zwei Einstellungen (“soft” und “optimal”, meiner Meinung sollten die heißen: “Hardcore” und “Don’t use! Ever! Seriously! We warned you!”). Ein paar Hustenzuckerl nachher für die durch die Schmerzensschreie malträtierten Stimmbänder können aber trotzdem nicht schaden.

Und vor allem: Es is a Ruh in der Hütte! Noch Wochen nachher! Nicht einmal mein Wadenpelz, bei dem sogar die Chinchillas amourös werden, hat da was entgegenzusetzen! Ich stehe also hier öffentlich auf und verkünde es vor allen Leuten: Ich bin ein Epilierer! Wenn’s diese Dinger bloß in etwas männlicheren Farben gäbe…

Bicycle Film Festival << || >> Doping (2008)